Training in der virtuellen Welt

Foto: Julia Huber

„Es wird kälter und die Tage kürzer“ – Das wäre in den letzten Jahren die Begründung gewesen, warum im November kein Straßentraining mehr angeboten wird. Fraglos gilt diese Aussage auch für 2020, zusätzlich aber mit der Ergänzung „… und es ist Lockdown ligth“, was auch die gemeinsamen Wochenendausfahrten derzeit unmöglich macht. Jetzt könnte man das mit Schulterzucken hinnehmen und sich dem ergeben. Man könnte auch einfach im November mal etwas kürzertreten und das Rennradfahren, Rennradfahren sein lassen. Wir haben uns aber gedacht, dass es die Gelegenheit wäre, mal ein virtuelle Ausfahrt zu organisieren.

So haben wir uns zu dritt am Freitag, dem 20.11.2020 um 18 Uhr in der virtuellen Welt Watopia auf der Onlineplattform Zwift verabredet. Zwift ist im Grunde ein Online-Computerspiel, bei dem das Eingabegerät nicht die Maus oder die Tastatur des PCs ist, sondern das eigene Fahrrad in Verbindung mit einem sog. Smarttrainer. Der Smarttrainer ersetzt das Hinterrad des eigenen Fahrrades und bildet die Schnittstelle zwischen Fahrrad und Spiel. So simuliert er den Widerstand, welchen man sonst auf der Straße durch die Luft, die Straße und den Steigungen erfahren würdeWir begannen unsere Ausfahrt also pünktlich um 18 Uhr und neben unseren drei Protagonisten, waren zu diesem Zeitpunkt noch rund 20.000 andere Radler auf den Straßen Watopias unterwegs. Es ist ziemlich beeindruckend, wenn man das erste Mal auf den virtuellen Straßen unterwegs ist und sich vor Augen führt, dass jeder andere Radler, den man dort sieht, auch ein „echter“ Radler ist, der irgendwo auf der Welt gerade in seinem Hobbyraum auf dem Fahrrad sitzt.

Wie in der reellen Welt geht es auch hier beim Fahren in der Gruppe darum, den Windschatten des Vordermanns möglichst gut auszunutzen und sich so die Arbeit „gegen den Wind“ zu teilen. Denn auch das simuliert das Spiel, respektive der Smarttrainer sehr realistisch. Die Onlinewelt ist sehr ansprechend gestaltet, so dass sich das Training im Vergleich zum stupiden Fahren auf der freien Rolle, sehr abwechslungsreich und kurzweilig gestaltet. Man wird während der Fahrt mit allerhand Informationen versorgt und in unregelmäßigen Abständen wird man dadurch belohnt, das man ein neues Level erreicht, was wiederrum neue Welten und andere Dinge freischaltet, die man im Spiel nutzen kann. So kann man beispielsweise bei Level 12, was man nach ca. 1200 gefahren Kilometern erreicht, den legendären Anstieg nach Alpe de Huez nachfahren. Durch dieses Belohnungssystem ergibt sich beim Fahren dann auch recht schnell ein Gefühl, dass man „noch kurz“ diesen und jenen Kilometer fahren möchte, um beim nächsten Mal dann eine entsprechende neue Strecke freigeschalten zu haben. Allerdings hält sich hierbei das schlechte Gewissen stark in Grenzen, da es vermutlich schlimmere Suchten gibt, als Radfahren.

Wir hatten uns im Vorfeld der Ausfahrt darauf geeinigt, dass wir 60 Minuten fahren wollen. So hatten wir nach diesen 60 Minuten gut 33 Kilometer zurückgelegt, wobei uns unsere Strecke durch einen Canyon, durch eine Unterwasserwelt, vorbei an Wasserfällen und über einige sanfte Hügel führte. Wir waren uns einig, dass es seinen Reiz hat, hin und wieder online miteinander zu fahren. Schöner wäre es allerdings trotzdem, wenn man sich beim Fahren unterhalten könnte. So fiebern wir jetzt dem Ende des Lockdowns entgegen, um dann das Wintertraining im Trainingsraum weiterzuführen. Dort werden wir dann bestimmt wieder auch virtuell miteinander fahren, aber es ist doch nochmal etwas anderes, wenn man sich dabei unterhalten und Spaß haben kann und sich danach noch bei einem Getränk austauscht.

Bei Interesse, und sei es nur die Neugier ohne den Hintergedanken Rennradfahren zu wollen, wäre ich sehr gerne bereit, diese Form des Trainings einmal vorzuführen, sobald dies wieder möglich ist.

Foto: Julia Huber

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